TÜV SÜD: Welche Ablenkungen Fahrer oft unterschätzen

TÜV SÜD: Welche Ablenkungen Fahrer oft unterschätzen

Die Fakten sind bekannt: Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) sind Autofahrer dazu verpflichtet, ihre Aufmerksamkeit voll und ganz aufs Fahren zu konzentrieren. Telefonate sind nur über eine Freisprechanlage erlaubt, Textnachrichten darf der Fahrer überhaupt nicht verfassen, solange der Motor läuft. Ist also der Fahrzeuglenker, der sich an die gesetzlichen Vorgaben hält, auf jeden Fall auf der sicheren Seite? Nein, warnt Andrea Häußler, Verkehrsexpertin und Mitglied der Geschäftsführung der TÜV SÜD Life Service GmbH: „Auch Navigationssystem, Klimaanlage oder Autoradio, die ja genau für den Gebrauch während der Fahrt gedacht sind, können die Aufmerksamkeit und den Blick des Fahrers ablenken. Und wer bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h nur eine Sekunde lang nicht auf die Straße schaut, legt fast 30 Meter im Blindflug zurück.“

Ablenkung durch Technik

Gerade im Stadtverkehr spielt das Navi eine wichtige Rolle. Wer aber bei einer Stauwarnung etwa fünf Sekunden Ausschau nach einer alternativen Route hält, fährt bei 50 km/h immerhin 70 Meter ohne Kontrolle. Ein Fahrer, der dann in einen Unfall verwickelt ist, trägt immer eine Teilschuld – unabhängig vom Unfallhergang. Darüber hinaus kommt unter Umständen die Versicherung nicht für den Schaden auf.

Die gefährliche Ablenkung entsteht aber nicht nur durch den von der Straße abgewandten Blick. Andrea Häußler erklärt: „Konzentriert sich der Fahrer auf die Bedienung eines Geräts, lässt erwiesenermaßen sein Reaktionsvermögen nach. Dabei geht es nicht nur um eigene Fahrfehler, die gefährlich für andere werden können: Zahlreiche Unfälle könnten vermieden werden, wenn ein aufmerksamer Unfallgegner die Gefahrensituation rechtzeitig erkennt und reaktionsschnell handelt. Übrigens sind abgelenkte Fahrer nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern können aufgrund ihrer Fahrweise sogar Staus begünstigen.“ Die Erklärung: Wer beispielsweise telefoniert, schaut zwar in der Regel nach vorne. Die Konzentration ist dennoch abgelenkt. Fahrer achten dann zwar noch auf den Abstand zum Vorausfahrenden, nicht aber auf das Geschehen neben ihnen. Da sie häufig ihr Tempo wechseln, manchmal schleichen oder zu schnell fahren, plötzlich beschleunigen oder bremsen, sind sie für andere Verkehrsteilnehmer schlecht einzuschätzen. „Im besten Fall stellen sie damit ein Verkehrshindernis dar, im schlechtesten gefährden sie andere“, so die Expertin.

Sonderfall Handy

TÜV SÜD setzt sich seit langem dafür ein, Verkehrsteilnehmer für die Gefahren der Handynutzung zu sensibilisieren. Das betrifft übrigens nicht nur Autofahrer: Jeder kennt die Fußgänger, die mit starrem Blick auf ihr Smartphone unvermittelt auf den Radweg treten oder bei Rot die Straße überqueren. Und auch Fahrradfahrer müssen mit einem Bußgeld rechnen, wenn sie beim Telefonieren während der Fahrt erwischt werden. „Noch vor einigen Jahren haben wir dazu geraten, das Handy während der Fahrt einfach komplett auszuschalten oder an unerreichbarer Stelle im Auto zu deponieren. Da das Smartphone aber immer mehr als Navi dient, passen diese Tipps nicht mehr in unsere Zeit“, so Andrea Häußler. „Wenn sich das Gerät jetzt direkt im Blickfeld befindet, ist es umso wichtiger, dass sich der Fahrzeuglenker über die Risiken bewusst ist.“

Einige Gedankenanstöße:

  • Echtes Multitasking gibt es nicht. Wird die Aufmerksamkeit auf eine Tätigkeit oder ein Gerät gerichtet, wird sie an anderer Stelle verringert.
  • Wie viel muss gleichzeitig passieren? Geübte Autofahrer wollen die Fahrzeit oft zugleich „sinnvoll nutzen“. Dabei unterschätzen sie oft die Leistung, die einem motorisierten Verkehrsteilnehmer abverlangt wird. Besonders noch ungeübte Fahrer sind durch das normale Fahren schon voll gefordert und sollten sich nicht zusätzlich stressen.
  • Wie sinnvoll ist das jeweilige Telefonat während der Fahrt? Geschäftliche Gespräche wären in einem anderen Umfeld – mit Zugriff auf PC, Unterlagen oder zumindest Stift und Zettel – häufig effektiver. Bei privaten Gesprächen bekommt der Partner oft nicht genug Aufmerksamkeit.

Fachleute sind sich übrigens einig: Ein emotionales Telefongespräch kann genauso gravierende Auswirkungen auf die Fahrweise haben wie Alkohol am Steuer.

Risikofaktor Mitfahrer

Während mobile Telefonate leicht vermieden werden können, muss der Fahrer mit seinen Passagieren auch in stressigen Momenten umgehen. Dabei spielen bei einem erfahrenen Lenker erwachsene Beifahrer eine untergeordnete Rolle; sie tragen in der Regel eher zur Entspannung bei. Kinder und Tiere jedoch können auch routinierte Lenker unerwartet in Stress versetzen. Andrea Häußler rät allen, die noch wenig Erfahrung mit dieser Art von Mitfahrern haben, sich vor Fahrtantritt gut vorzubereiten: „Gerade bei Kleinkindern ist es ideal, wenn ein Erwachsener mit dem Kind hinten sitzen kann. Bei Babys, die noch rückwärts in der Schale transportiert werden, finden viele Fahrzeuglenker eine spezielle Spiegelkombination hilfreich, die auch während der Fahrt einen Blick auf das Kind auf der Rückbank ermöglicht.“ Für detaillierte Tipps zum Reisen mit Kindern – von Kauftipps des Kindersitzes über eine gut verträgliche Verpflegung bis hin zur Vermeidung von Langeweile auf langen Fahrten – sind Elternportale im Internet gute Adressen. Dennoch bleibt der Rat der Expertin: „Planen Sie mehr Zeit ein und vermeiden Sie Druck so gut wie möglich. Rechnen Sie immer damit, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. Versuchen Sie nicht, den Geschwisterstreit auf der Rückbank während der Fahrt zu schlichten oder den Kindern von vorne Verpflegung zu reichen, sondern halten Sie immer dafür an.“

Sicher unterwegs mit Haustieren

Entsprechend lauten die Tipps für eine Fahrt mit Hund und Katze: Die Tiere dürfen nur gut gesichert transportiert werden, da einerseits auch der ruhigste Stubentiger bei einer Fahrt mal in Panik geraten könnte, andererseits ungesicherte Tiere bei einem Unfall den menschlichen Insassen lebensgefährlich werden können. Bevor es auf eine längere Urlaubsfahrt mit dem Hund geht, sollten kurze Strecken zur Eingewöhnung absolviert werden. Dann sinkt auch die Gefahr, dass der wachsame Hausgenosse den Fahrzeuglenker durch plötzliches Anbellen eines Nachbarfahrzeugs erschreckt.

Quelle: Presse und Medien TÜV SÜD


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