Autonomes Fahren im urbanen Bereich

Autonomes Fahren im urbanen Bereich

München. Ein geparkter Lkw am Straßenrand verdeckt einen Fahrradfahrer, der von rechts kommt. Klingt sofort nach einer kritischen Verkehrssituation. Aber wann wird es gefährlich? Und ab wann gelten welche Faktoren als kritisch? Die Kritikalität – so nennen es die Experten – solcher den Verkehr beeinflussenden Faktoren genau zu bestimmen, das ist unter anderem die Aufgabe der TÜV SÜD-Experten in VVMethoden (Verifikations- und Validierungsmethoden). Das Forschungsprojekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium zur sicheren Markteinführung autonomer Fahrzeuge gefördert. Eines der Ziele ist es, die Simulation als valide Methode für die Homologation automatisierter Fahrzeuge der SAE-Level 4 und 5 zu etablieren. Die 23 VVM-Projektpartner haben nun ihre Ergebnisse zur Halbzeit des Projekts im Rahmen einer Online-Konferenz vorgestellt. TÜV SÜD-Projektleiter Tuan Duong Quang präsentierte anhand von Beispielen, wie Simulation genutzt wird, um die Sicherheit autonomer Fahrzeuge zu bewerten.

Eigentlich gäbe es unendlich viele zu überprüfende Szenarien mit kritischen Situationen im Straßenverkehr. Weil man die aber niemals in realen Tests prüfen kann, setzen die Experten auf Simulation. Aber wie macht man das? Wie kann man herausfinden, welche Situationen davon wirklich kritisch sind? Klar ist: Alle Situationen wird man auch durch Simulation nicht prüfen können. Dazu kommt, dass jeder einzelne Fall durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Hauptaufgabe der Experten ist es daher, aus dem offenen Situationskomplex der realen Verkehrswelt die wirklich kritischen Phänomene herauszufiltern. Dazu Emmeram Klotz, Leiter Test und Validierung in der Businessline Highly Automated Driving bei TÜV SÜD: „Unsere Experten bei VVMethoden arbeiten hier an Methoden, mit denen bestimmt werden kann, wie kritisch bestimmte Faktoren einer Verkehrssituation sind. Zur Validierung fließen dann die Ergebnisse in die Weiterentwicklung von Simulationswerkzeugen mit ein.“ Projektleiter Tuan Duong Quang ergänzt: „Reale Tests werden so durch virtuelle ergänzt und teilweise ersetzt.“

Gearbeitet wird dabei mit openPASS, einer Open Source-Simulationsplattform, bei der sich TÜV SÜD um das Produktmanagement kümmert. OpenPASS ist ein transparentes und unter den Industriepartnern Bosch, Mercedes-Benz AG, BMW Group, VW, ITK Engineering GmbH und Toyota harmonisiertes Simulationswerkzeug für die virtuelle Bewertung von automatisierten Fahrsystemen. Tuan Duong Quang zu seiner Arbeit: „In meiner Position bei openPASS habe ich hervorragende Einsichten in das System und kann das Werkzeug optimal für unsere Aufgaben in VVMethoden anpassen, die Validität als Prüfmethode bis hin zur Homologation gewährleisten und für die Simulation nutzen.“

Simulation – wie funktioniert das?
Zurück zum Hindernis und dem Fahrradfahrer. Die Kernfrage: Welche Faktoren beeinflussen wie stark die Kritikalität einer Verkehrssituation? Das Szenario: Ein Fahrradfahrer wird von einem parkenden Auto verdeckt. Der virtuelle Versuchsaufbau: Faktoren, die beispielsweise die Verkehrssituation gefährlich machen und daher als kritisch eingestuft werden, sind Position und Geschwindigkeit des herannahenden Fahrzeugs, Position und Größe des geparkten Fahrzeugs und Position und Geschwindigkeit des von rechts kommenden Fahrrads.

TÜV SÜD-Experten ermitteln nun die einzelnen Einflussfaktoren für die Verdeckung des Radfahrers. Dazu werden anhand von stochastisch ermittelten Werten in der Simulation kleine Schritte verändert: das herannahende automatisierte Fahrzeug einen halben Meter nach vorn, der Fahrradfahrer entsprechend 20 Zentimeter – zum Beispiel. Die tatsächliche Größe des parkenden Fahrzeugs bleibt zwar gleich, hinsichtlich der Sichtachse zwischen automatisiertem Pkw und Radfahrer verändert sie sich aber.

Daraus ergibt sich, dass diese – typisch urbane – Verkehrssituation in einem Moment noch nicht kritisch ist, weil das automatisierte Fahrzeug den Radler wahrnimmt und ausreichend Zeit bleibt, darauf zu reagieren. Wird das parkende Fahrzeug aber „größer“ und verdeckt die Sichtachse zwischen den Verkehrsteilnehmern, wird die Situation kritischer – Stück für Stück.

Resümee von Emmeram Klotz: „Schon im Pegasus-Projekt haben wir intensiv an neuen Methoden für die Absicherung automatisierter Fahrfunktionen erfolgreich mitgearbeitet – als einzige neutrale Prüfgesellschaft. Mit VVMethoden schaffen wir jetzt den Sprung ins urbane Umfeld. Das heißt, es gibt eine Vielzahl von weiteren einzuschätzenden Situationen. TÜV SÜD ist hier maßgeblich daran beteiligt, die Relevanz gefährlicher Faktoren zu verstehen. Dadurch kann die Zahl der für die Typgenehmigung nötigen Tests reduziert und die Simulation als valide und effiziente Prüfmethode etabliert werden.“

VVMethoden – was ist das?
Forschung, Industrie und Behörden zusammenbringen, um die Grundlagen für die schnelle Entwicklung autonomer Fahrzeuge zu schaffen – das war die Idee des Vorgängerprojektes Pegasus. Die Konsortialpartner haben hier seit 2016 daran gearbeitet, allgemein akzeptierte Methoden und Werkzeuge für die Absicherung hochautomatisierter Fahrzeugfunktionen – zunächst bis SAE-Level 3 – zu erarbeiten. Daraus haben sich seit 2019 zwei Folgeprojekte ergeben, eines davon ist VVMethoden. Mit VVMethoden schaffen die Partner den Sprung auf SAE-Level 4 und 5. Auch hier ist es das Ziel, Methoden und Werkzeuge für die Homologation hochautomatisierter Fahrzeuge zu schaffen – jetzt im urbanen Raum.

Das Halbzeitevent von VVMethoden fand Mitte März statt und ist für jedermann freizugänglich.
Die Videostreams der einzelnen Präsentationen können unter
https://www.vvm-projekt.de/midterm-event/videos eingesehen werden.

Weitere Infos zu TÜV SÜD unter www.tuvsud.com/de.

Quelle: https://www.tuvsud.com


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